Keine Illusion

Selten noch habe ich mich so gut unterhalten wie bei der Groß-Zaubershow des österreichsichen Illusionisten Corantini. Wer mag es mir verargen, dass ich mich nach Schluß der Vorstellung an den Meister wandte, um ihn um Aufklärung über einige Kunststücke zu bitten. Besonders hatte es mir der Zigarettentrick angetan. Corantini griff in die Luft und holte eine „Austria 1“ herunter. Er griff an die Nase seiner Frau und Assistentin und zog eine „Austria 2“ hervor. Das tat er so lange, bis er seine Tagesration besammen hatte.

„Verehrter Meister“, sagte ich ehrfurchtsvoll, „Sie haben den Beruf verfehlt. Sie sind gewissermaßen das Ei des Kolumbus der österreichischen Tabakindustrie. Wenn Sie den lieben langen Tag sonst nichts tun als Zigaretten aus der Luft zu zaubern, verdienen Sie einen Schüppel Geld und dazu die Anerkennung aller Raucher Österreichs.“

„Leider muss ich Sie enttäuschen, Herr Redakteur, denn auch mein Zigarettentrick unterliegt der Bewirtschaftung. Am Ende einer Karenperiode weiß ich oft nicht, wo ich eine Zigarette hernehme, damit ich dann eine hervorzaubern kann. Mehr Zigaretten, als ich augenblicklich in der Tasche habe, kann ich niemals aus der Luft herunterholen.“

„Ach, so ist das!“ war ich enttäuscht. „Dann sind Sie wie unsere Minister. Die haben nämlich den berühmten Kartentrick mit den vier Assen. Wenn sie uns etwas versprochen haben und es kann nicht erfüllt werden, dann deuten sie auf eine der vier Assen oder auf alle viere zugleich. Den Trick kennen wir aber schon. Da wären doch Sie, Herr Corantini, noch besser als Minister, Ihre Tricks durchschaut man nicht so schnell.“

„Gott bewahre mich davor! Wenn mir von vier Seiten auf die Finger geschaut wird, bringe ich das einfachste Kunststück nicht fertig. Der Ministertrick mit den vir Assen aber ist mir als Berufszauberer zu schwierig, weil er nämlich keine Illusion ist.“

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Linzer Vollksblatt 73. Jahrgang, Nr. 148 vom 30. Juni 1947
Fundstelle: ANNO, Historische österreichsiche Zeitungen und Zeitschriften